Immobilienlounge 01-2014 - page 84

WOHNLUST 24
Zukunft vorzuzeichnen. Viel ist dabei die Re-
de von „altersgerechter Planung“, „Ökolo-
gie“ und „Digitalisierung“. Aber auch davon:
„Es gibt ein wachsendes Bedürfnis nach Ge-
meinschaftserlebnissen im Badezimmer“,
betont Jens J. Wischmann, Geschäftsfüh-
rer der VDS. „Busy Bathroom“ heißt dieser
Trendstrang, also ein geschäftiges Bad, ei-
nes, das vor Leben vibriert. Es schließt das
Rückzugsgebiet (hier „Bathroom Bubble“
genannt) nicht etwa aus, sondern erweitert
es um eine weitere Funktion.
Die Idee ist so neu wie sie alt ist. Denn der
Gedanke, dass Bäder ein Gemeinschafts-
raum sind, reicht bis in die Antike zurück
und lebt noch heute im orientalischen Ha-
mam weiter. In der Moderne, im Zuge wach-
senden Wohlstands wie auch eines Indi-
vidualisierungsprozesses, war das Teilen
von Sanitärequipment dann eher ein Aus-
druck ökonomischer Malaise. Das Billigho-
tel mit der Dusche auf dem Flur etwa. Und
als man im Westen schon Wohnungen mit
mehreren Bädern kannte, war die Toilette
eine Treppe tiefer für viele DDRler noch ge-
lebter Alltag.
Ein neues Auto oder ein
schickes Bad
Denn das private Spa ist kein Spleen einer
übersättigten Klientel auf der Suche nach
dem nächsten „must have“. Zum Beispiel
eine Bekannte. Sie bewohnt eine hüb-
sche Wohnung, kein Luxus-Appartement.
Als das Haus vor ihrem Einzug saniert und
zum Teil entkernt werden musste, ent-
schied sie sich für die Vergrößerung des
Badezimmers. Ihr Traum: ein Whirlpool.
Das Bad wurde fast so groß wie ihr Wohn-
raum.
Immerhin rund 60 Prozent der Deutschen,
so eine Umfrage, empfinden ihr Bad als
„nicht entspannend“. Diese Situation zu
ändern, scheitert nicht selten an den ho-
hen Umbaukosten. Es ist, wie in allen Kon-
sumbereichen, eine Frage der Prioritäten.
Will ich ein neues Auto oder ein schickes
Bad? Die Architektur wird auf die verän-
derten Bedürfnisse eingehen und ande-
re Grundrisse konzipieren, wie sie inzwi-
schen längst die offene Küche als etwas
Selbstverständliches anbietet.
Nicht zuletzt ermöglicht auch die moderne
Technologie ganz andere Erlebnisse. Man
macht zum Beispiel morgens die Tür zum
Badezimmer auf, automatisch erklingt die
Lieblingsmusik, die Beleuchtung passt sich
den jahreszeitlichen Lichtverhältnissen an.
Oder so: Die Armatur erkennt den Nutzer
und lässt berührungslos Wasser in vorpro-
grammierter Temperatur ins Becken spru-
deln. Komfortpakete der Zukunft, die schon
heute über die Testphase hinaus sind.
Und die Toilette?
Einen Aspekt haben wir bislang ausge-
klammert. Denn es gibt Momente im Le-
ben, die möchte man mit niemandem tei-
len – und auch ungern darüber reden. Die
Toilette, so die Experten, wird separiert.
Am besten gleich in einen eigenen Raum.
Ähnlich dem längst etablierten Zweit-WC
für die Gäste. Doch auch an diesem Ort
will der Mensch anscheinend unterhalten
sein. Laut einer von der Traditionsmarke
Tempo in Auftrag gegebenen Studie ver-
bringen 36 Prozent der Deutschen ihre
„Sitzungen“ lesend, bei Männern ist es so-
gar jeder zweite.
Axel Botur
Stilvoll schwitzen: Wenn eine Sauna so formschön daherkommt, sollte man sie nicht im Keller
verstecken, sondern im Bad oder Wohnraum integrieren. Das Modell heißt „Inipi“ vom Hersteller
Duravit (Design: EOOS)
Von solchen Zwangserlebnissen sind die
neuen multifunktionalen Relax-Oasen na-
türlich weit entfernt. Hier soll der Mensch
vielmehr sein Bedürfnis nach Sozialisati-
on und Kommunikation befriedigen. Mor-
gens den Tagesablauf besprechen, wäh-
rend man mit Partner oder Partnerin am
Doppelwaschbecken steht. Abends den
Tag in der Doppelbadewanne Revue pas-
sieren lassen. Sich vor einer Party ge-
meinsam mit den Freundinnen schmin-
ken. Sich zum Saunagang treffen. Am
Ende führt das auch zu mehr Wohnlich-
keit, ganz andere Möbel halten Einzug,
Sitzelemente, Fernseher, vielleicht sogar
ein Bücherregal. Oder auch so: Die Trenn-
wand zwischen Bad und Schlafraum fällt
weg.
Michael Sieger hat dieses offene Konzept
bei sich zuhause umgesetzt: „So gibt es
keine Barriere in der Kommunikation mit
dem Partner und der Raum weitet sich.“
Gerade bei kleinen Grundrissen sei die-
se Lösung von Vorteil. „Wenn wir Flächen
zusammenfassen, schaffen wir Großzü-
gigkeit.“
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