Immobilienlounge 01-2014 - page 101

WIRTSCHAFT 41
Wie entwickelten Sie Ihren mehrfach prä-
mierten 10-Stufen-Plan für den Mittel-
stand?
Ich war 1987 fertig mit meiner Promotion
und habe die von mir gegründete Firma ver-
kauft. Dann habe ich mich gefragt, was ma-
che ich jetzt? Während des Studiums hat-
te ich viele Vorträge zum Thema „Wie führe
ich eine Firma?“ besucht. Nach vier Wo-
chen konnte ich mich gar nicht mehr daran
erinnern, was eigentlich behandelt wurde.
Die Nachhaltigkeit war gleich Null. Es klang
gut und schlau, war aber zu theoretisch und
nicht umsetzungsorientiert. Da dachte ich
mir: “Es muss doch möglich sein, mittel-
ständischen Unternehmen einen Leitfaden
an die Hand zu geben, mit dem sie, ohne 20
Leute in der Stabsstelle zu haben, arbeiten
können.“ Im Sommer 1987 wurde ich zu ei-
nem 4-Tages-Seminar an den Vierwaldstät-
ter See eingeladen. Es war so langweilig,
dass ich mich nach einem Tag krankgemel-
det habe. Ich bin auf den See hinausgeru-
dert und habe mir auf einem Block Notizen
gemacht. Am Abend, nach zehn Stunden,
hatte ich einen Sonnenbrand und meine
Gliederung fertig. Die Struktur ist bis heute
aktuell, punktuell wird das Konzept natür-
lich weiterentwickelt.
Es gab aber auch schon vor Ihrem „System
Weissman“ betriebswirtschaftliche Leitfä-
den. Was macht Ihren so besonders?
Wir haben im letzten Jahr den Preis „Beste
Strategieberatung für den Mittelstand“ be-
kommen. Der Laudator in der Düsseldorfer
Festhalle begann vor 800 Gästen wie folgt:
„1. Was Sie uns präsentiert haben, war
nichts wirklich Neues. 2. Jeder Ihrer Wett-
bewerber hat uns etwas Ähnliches präsen-
tiert“. Ich habe schon an einen Scherz à la
versteckter Kamera gedacht. Dann sagte
er: „Niemand hat uns aber jemals ein so
umsetzungsorientiertes und konsequen-
tes Kon­zept vorgestellt wie Sie.“ Wenn man
„Was ich den Leuten
erzähle, ist gesunder
Menschenverstand,
das ist nichts Besonderes.
In der Realität wird aber
dagegen verstoßen,
dass es einem
die Socken auszieht.“
„Ich bin Angler,
ich angle Menschen,
indem ich ein Netz
auslege und
an irgendeinem Punkt
bleiben sie hängen.“
nach einem Seminar nicht 48 Stunden spä-
ter mit der Umsetzung des Gelernten be-
ginnt, macht man es nie. Das ist der Schlüs-
sel, wir bringen die Leute dazu, anzufangen.
Können Sie uns das bitte an einem Bei-
spiel erklären?
Ich bin ja Angler. Ich angle Menschen, in-
dem ich ein Netz auslege und an irgendei-
nem Punkt bleiben sie hängen. Zum Bei-
spiel sage ich: Wenn Sie als Unternehmer
kein Testament haben, verhalten Sie sich
eigentlich kriminell. Da fallen 80 Prozent
der anwesenden Unternehmer die Zäh-
ne raus, weil sie genau in dieser Sekunde
wissen, Mist, das habe ich nicht. Ich sage
dann, machen Sie das jetzt. Und so lege ich
im Controlling, Marketing, Vertrieb, Home-
page … Leinen aus. Was ich den Leuten
erzähle, ist gesunder Menschenverstand,
das ist nichts Besonderes. In der Realität
wird aber gegen den gesunden Menschen-
verstand in einer Form verstoßen, dass es
einem die Socken auszieht. Am Ende ist ein
Unternehmen Zahlungseingang und Zah-
lungsausgang, da können Sie so viel BWL
studiert haben, wie Sie wollen. Wenn ich
mehr ausgebe, als ich einnehme, wird es
schwierig auf Dauer.
Was mir aufgefallen ist, Sie leiten viele Ih-
rer Prinzipien aus der Natur ab.
Das mag BWLer erst mal stutzen lassen,
aber sie sehen, dass diese Prinzipien Wirk-
lichkeit sind und man sie zumindest an-
satzweise übertragen kann. Theoretische
Wirtschaftsweisheiten haben sie doch al-
le schon hundertfach gehört. Die Bionik
verbindet Biologie und Technik, wir verbin-
den Biologie und Management. Ganze Ge-
nerationen von Forschern und BWLern be-
schäftigen sich mit der Frage: Was ist das
richtige Ziel eines Unternehmens? Gewinn-
maximierung, Shareholder Value, Stakehol-
der Value, Corporate Responsibility … alles
Nonsens. Was ist das oberste Ziel in der
Natur, was würden Sie antworten?
Überleben.
Nichts anderes. Ich habe in meinem Leben
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